Osterspecial: Atze und Nadine – Wie alles begann

Atze und Nadine und der Erzähler bevölkerten viele Jahre lang die „Letzte Seite“ im MG Kurier. Mit teils skurrilen Methoden – vor allem, wenn es um Instandsetzungen von Fahrzeugen mit dem Oktagon im Markenzeichen ging – schlugen sie sich gemeinsam durchs MG-Leben. Den ersten Auftritt hatte das Trio im MG Kurier Nummer 79 vom April 2004. Zu diesem eigenartigen Osterwochenende spendieren wir Euch also diese Geschichte vom…

Scheunenfund

Zwei Wochen stand die Garage nun schon leer. Der vorherige Bewohner, ein zunächst völlig heruntergekommener Triumph Spitfire, hatte nach übermenschlichem Einsatz des Restaurierungsteams – bestehend aus meinem Kumpel Atze und mir – Form und Funktion wiedergewonnen. Vor kurzem fand er dann gegen einen bescheidenen Beitrag zur Aufbesserung unserer Hobbykasse ein neues Heim.

Was also als nächstes tun? Seit Stunden befragten wir unser Orakel, einen Kasten „Uerige Altbier“ (Düsseldorfer Homöopathikum, im Nicht-Rheinland vulgo „Bier“).

Plötzlich klingelte das Telefon. Curt war dran, wir hatten ihn mal bei irgendeinem Clubrennen kennengelernt. „Mein Schwager hat ein Haus gekauft, mit Garage.“ – „Aha.“ – „An der Garage ist ein Schuppen.“ – „Soso.“ – „Da steht ein alter MG drin.“ – „Oh.“ – „Komplett, müsste aber ein wenig beigearbeitet werden.“ – „…“

„Beigearbeitet“ ist dem Sprachgebrauch im Rheinland entlehnt und heißt soviel wie: Eigentlich rettungslos verloren, aber mit viel Phantasie, Improvisationstalent und reichlich Euphorie ließe sich eventuell noch was machen.

Jetzt wieder Curt: „Kostet nix – nur abholen müsst ihr ihn. Am besten heute.“

Atze und ich tauschten Blicke aus. „Wir kommen – sag mal die Adresse…“

Nachdem wir unsere nette Nachbarin Nadine überredet hatten, zu fahren (wir konnten nicht mehr – Altbierorakelbefragung), waren wir eine Stunde später mit Nadines Kombi und unserem Anhänger unterwegs Richtung Dorsel, einem kleinen Eifeldorf in der Nähe des Nürburgrings.

Die immobile Neuerwerbung von Curts Schwager war schnell gefunden – Dorsel ist im Prinzip nicht viel mehr als eine Straße mit ein paar Häusern dran.

Dummerweise erwies sich auch der angepriesene alte MG als immobil. Zwar stand er in dem Schuppen an der Garage, allerdings war das Dach des Schuppens wohl schon vor geraumer Zeit eingestürzt – präziser formuliert: auf den MG gestürzt. Bei dem armen Kerl handelte es sich übrigens um einen grünen (?) Tourer mit Hardtop, frühes Baujahr. Naja, fahren wir halt wieder heim. Nun wurde Nadine sauer. „Das Ding nehmt ihr mit. Wenn ihr mich jetzt hier umsonst hergescheucht habt, fahr ich Euch nie wieder.“

Was für uns bedeuten würde: Nie wieder ein Glas Alt vor Einbruch der Dunkelheit. Seufz.

Wir sammelten einiges an Gartengerät ein und schnitten zunächst den Busch weg, der unter dem Motorraum wachsend bereits einige Triebe in die Speichenräder entwickelt hatte.

Dasselbe an der Hinterachse. Die Trümmer des Daches räumten wir auch weg. Die Türe des Schuppens ließ sich leider nicht mehr in den Angeln bewegen, aber der Schuppen sollte ja eh’ abgerissen werden. Mittels im Hause gefundener Axt wurde weitere Zeitverschwendung eingespart. Nun noch rasch mit Spaten und Beil eine Art „Fahrrinne“ zu Nadines Passat nebst Anhänger geschlagen, und es konnte losgehen.

Da unsere Schiebeversuche nichts fruchteten (bestimmt Trommeln festgerostet), nahmen wir die Seilwinde des Anhängers zu Hilfe. Stück für Stück konnten wir damit Kombi nebst Anhänger in Richtung MGB ziehen…

3 Stunden später hatten wir mit Gewalt, Hitze, Flüchen und weiterem „Beiarbeiten“ die Trommeln hinten abgebaut, mit gröbstem Schleifpapier bearbeitet, wieder draufgesetzt, und die Fuhre dann doch noch irgendwie auf den Hänger bekommen.

Und wieder 3 Stunden später stand das Prachtstück bei uns in der Garage.

Bestandsaufnahme: Schweller links – durch. Kotflügel vorne unten – beide durch. Keder hinten – nur noch in Rudimenten vorhanden. Innenausstattung – vorhanden, aber ver- bzw. bewohnt (Mäuse).

Alle Räder drehten sich. Sogar der Motor drehte sich (war ja auch noch Öl drin).

„Hm,“ meinte Atze. „Tja,“ pflichtete ich bei. Der ideale Kandidat für ein Experiment. Während Atze das Startpilotspray holte, organisierte ich eine Batterie. Durch Drehung des Zündschlüssels wurde rasch klar: Der Anlasser geht noch. Und eine halbe Dose Startpilot später tat es einen Riesenschlag – und dann lief ein Zylinder, dann der Vierte, der Dritte, schließlich der Zweite.

Motor aus.

„Hatte er Öldruck?“ – „Ging so…“

3 Minuten später war die Karre hochgebockt und wir ließen das Motoröl (Motorfett?) ab.

Wiederauffüllen mit Baumarkt-Billigzeugs. Nun auch die Zündkerzen raus und durch gute Gebrauchte ersetzt. Zweiter Startversuch. Klappte schon besser….und siehe da, auch „normaler“ Öldruck war da: 50 Pfund/Quadratzoll.

„Ob er wohl fährt?“ – „Bestimmt.“

Hydrauliköl war ja drin…Kupplung treten, Gang rein, mördermäßige Geräusche, Kupplung kommen lassen, wupp, wupp, wupp- fährt! Bremst aber nicht…aber da ist ja zum Glück die Begrenzungshecke, und so sachte, wie die Hecke kann, bremste sie uns von Schrittempo auf null ab.

Wieder zurück in die Werkstatt. Irgendwo waren doch noch diese völlig vergammelten Bremsbacken und etwas verölten Radbremszylinder?

90 Minuten später konnten wir nicht nur anfahren, sondern auch noch abbremsen.

Wir schickten Nadine zu ihrem Papa, der hat eine kleine Werkstatt und rote Nummern.

Denn durch unsere bisherigen Erfolge angestachelt, hatten wir großes vor: Vor-Ort-Nennung zur Oldie-Rallye „Rund um den Baldeneysee“ in Essen morgen früh. Zugelassen waren Fahrzeuge bis Baujahr 1972. Fahren tat unser Scheunenfund ja nun, und alt genug war er sowieso. Am nächsten Morgen also frisch am Start, Tank halbvoll (man weiß ja nie – vielleicht lohnt „voll“ nicht), und wir fuhren nach Essen. Insgesamt war es dann aber kein sehr ereignisreicher Tag…nachdem wir auf der Hinfahrt den durchgebrochenen Auspuff mit einer Mineralwasser (!) – Dose geflickt hatten, kamen wir leider erst nach dem Start an der Nennung an. War aber auch nicht so schlimm, denn mittlerweile hatten sich die ausgehärteten Simmerringe dermaßen über die unerwartete Inbetriebnahme erschreckt, dass doch die eine oder andere kleinere oder größere Ölundichtigkeit zutage trat. Nichtsdestotrotz: Auch heim haben wir es wieder geschafft, und nun steht der „wiedererweckte Scheunenfund“ in unserer Garage. Übrigens zum Verkauf…wer also einen originalen, unverbastelten MGB mit Hardtop sucht in grün (?), mit kompletter Innenausstattung, Bremsen überholt, Motor und Getriebe gut, Karosserie muß beigearbeitet werden – needs tender loving care – möge anrufen unter….

Text und Bild: Andreas Pichler